Das Land Niedersachsen verstößt beim Financial Blocking gegenüber Zahlungsdienstleistern wie VISA mehrfach gegen geltendes Recht.
Verkannt werden die vollzugsrechtlichen Anforderungen des Glücksspielstaatsvertrags, das Telekommunikationsgesetz, die Datenschutz-Grundverordnung sowie das Europäische Unionsrecht.
Diese Rechtsverstöße bergen eine unmittelbare Gefahr für alle Bundesländer: Nach Expertenmeinung drohen, abhängig von der Dauer des rechtswidrigen Financial Blocking, Schadensersatzklagen der Betroffenen im zweistelligen Millionenbereich.
Alle Bundesländer sind von dem Haftungsrisiko betroffen, da das Land Niedersachsen nach dem Glücksspielstaatsvertrag gesamthänderisch für alle Länder handelt.
„Es verstößt ganz offensichtlich gegen das Unionsrecht, dass das Land Niedersachsen ein Verbot mittels Financial Blocking durchsetzt, obwohl sich die Ministerpräsidenten bereits am 12. März 2020 auf eine regulierte Marktöffnung für bisher – in unionsrechtswidriger Weise – ausgeschlossene Online-Glücksspiele geeinigt haben“, so Prof. Christian Koenig, Direktor am Zentrum für Europäische Integrationsforschung der Universität Bonn: „Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs sind die Mitgliedstaaten gerade auch in einer Übergangszeit verpflichtet, einen unionsrechtskonformen Zustand zu gewährleisten“.
Ähnlich äußerte sich jüngst in einem Interview der Hessische Innenminister Peter Beuth: „Mir ist die schnelle Herstellung des Spielerschutzes wichtig (…) Meines Erachtens ist es nur schwer nachvollziehbar, einen Anbieter zu zwingen, heute etwas einzustellen, was er ab dem 1. Juli 2021 legal anbieten dürfen soll.“
Das scheint das Land Niedersachsen nicht weiter zu beeindrucken. Nach eigener Aussage wurde erst kürzlich einem internationalen Zahlungsdienstleister die Mitwirkung am Zahlungsverkehr versagt, ohne dass zuvor – wie nach deutschem Ordnungsrecht und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz geboten – gegen die betroffenen Glücksspielanbieter vorgegangen wurde. Begründung: Es sei Sache der Zahlungsdienstleister, die aktuelle Gesetzeslage umzusetzen. Laut Barbara Thiel, Landesbeauftragte für Datenschutz Niedersachsen, ist das Grund genug, die Verhältnismäßigkeit aller Financial Blocking-Maßnahmen gar nicht erst zu prüfen. Mit dieser Haltung verkennt das Land Niedersachsen die Bindung der vollziehenden Gewalt an höherrangiges EU-Recht und rechtsstaatliche Prinzipien des Grundgesetzes.
Tatsächlich müssten Zahlungsdienstleister gegen geltendes Datenschutzrecht verstoßen, um legales und illegales Online-Glücksspiel auseinander zu halten. Hierfür müssten sie sich nämlich die Standortdaten der Spieler rechtswidrig von den Telekommunikations- Dienstleistern beschaffen und verwerten. „Das verletzt nicht nur die Datenschutz-Grundverordnung, das Telekommunikationsgesetz, vielmehr auch die europäische Dienstleistungs- und Zahlungsverkehrsfreiheit“, so Prof. Christian Koenig in seinem Gutachten. Niedersachsen blende die Bindung der Exekutive an höherrangiges Recht vollständig aus, indem es einfach auf die noch geltende, unionsrechtswidrige Gesetzeslage verweist, so Koenig weiter. Damit würden entgegen allen rechtsstaatlichen wie unionsrechtlichen Prinzipien die Rechtsrisiken für unhaltbare Maßnahmen einseitig den Zahlungsdienstleistern aufgebürdet.
In scharfem Kontrast zu der „harten Linie“ des Landes Niedersachsen werden in anderen Bundesländern Vollzugsverfahren zum Online-Verbot nach § 4 Abs. 4 GlüStV zunehmend ausgesetzt. Prototypisch ist hierfür u.a. ein Verfahren vor dem VGH Mannheim, in welchem das Regierungspräsidium Karlsruhe mit Schriftsatz an den Verwaltungsgerichtshof vom 17. März 2020 das Ruhen des Verfahrens beantragt und als Begründung erklärt hat:
„Dem Staatsvertrag zur Neuregulierung des Glückspielwesens haben die Vertreter der Bundesländer am 12.03.2020 zugestimmt. Danach ist damit zu rechnen, dass ab dem 01.07.2021 eine Öffnung des Marktes für Online-Glücksspiel erfolgt. Dem trägt der Antrag auf Ruhen des Verfahrens Rechnung.“
Der Vorstandsvorsitzende des DVTM, Renatus Zilles, fordert, dass das Land Niedersachsen sofort mit dem unrechtmäßigen Financial Blocking, wie das Gutachten von Prof. König darlegt, aufhören müsse, damit nicht Finanzdienstleister, Glücksspielanbieter, aber auch der Bürger weiter geschädigt würden.
„Die Politik trägt ansonsten die volle Verantwortung für den ökonomischen, sowie sozialen Schäden und konterkariert damit zugleich den errungenen Kompromiss der Länder zur Neuregelung des von Mitte nächsten Jahres gültigen Glücksspielneuregulierungsstaatsvertrags. Das wäre fatal. “
Die Länder müssten sich schleunigst einigen und aktiv den Übergang zur Marktöffnung mit dem neuen Glücksspielstaatsvertrag 2021 gestalten. Sonst drohten nicht nur erhebliche Schadensersatzforderungen, auf der Strecke blieben auch Jugend-, Verbraucher- und Datenschutz, sowie Suchtprävention und Suchthilfe. Am Schluss würden nur Anbieter aus dem asiatischen und russischen Raum gewinnen, die sich weder für Themen wie Verbraucherschutz oder Suchtprävention interessierten und auch nicht willig seien, Steuern zu zahlen.
„Hierdurch würden Milliardenschäden bei den Steuereinahmen in Deutschland entstehen“, sagt Zilles.
DVTM Deutscher Verband für Telekommunikation und Medien e.V.
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